Zum 3. Jahrestag der Ankunft der ersten Geflüchteten aus der Ukrainer
Olga Cherkez gehörte zu den ersten Ankömmlingen. Heute arbeitet sie im DRK-Tafelladen
Vor drei Jahren, eine Woche nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine, machte sich Olga Cherkez auf den Weg. Sie setzte ihre damals dreijährige Tochter in Odessa ins Auto und fuhr mit ihr in Richtung Odenwald. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten, ich wollte meine kleine Tochter in Sicherheit bringen“, sagt Olga rückblickend. In Mosbach hatte die Dolmetscherin und Lehrerin einen Arbeitskollegen, der ihr und ihrer Familie Unterstützung anbot. Olga Cherkez blieb und arbeitet seitdem jeden Mittwoch ehrenamtlich einige Stunden im Tafelladen des DRK-Kreisverbands Mosbach.
Am 9. März 2022 kam Olga Cherkez in Mosbach an, wenige Tage später folgten ihre Schwester und ihr Schwager mit den beiden Kindern sowie den Großeltern. „Zeitweilig lebten wir in dem kleinen Haus, das unser Bekannter uns zur Verfügung stellte, mit neun Personen. Das war ganz schön beengt“, erzählt Olga. Ihr Mann Oleksandr arbeitete zu Kriegsbeginn auf einem Kreuzfahrtschiff und sah die Familie nur kurz in Mosbach.
Als Lehrerin für Deutsch und Englisch konnte die heute 42-Jährige der Familie in Mosbach bei den nötigen Behördengängen helfen. Natürlich war alles ungewohnt, erinnert sie sich, zumal die Ukraine ein stark digitalisiertes Land sei und „Deutschland eher weniger“. Vieles sei langsamer gegangen, als man es sich wünschte. Doch dafür hat sie Verständnis. „Es sind gleichzeitig so viele Menschen eingereist, und die meisten sprachen kein Wort Deutsch. Das war für die Mitarbeiter in den Ämtern eine schwierige, ungewohnte Situation und eine enorme Belastung.“ Kein Land habe den Ukrainern so geholfen wie Deutschland. „Dafür muss man dankbar sein.“
Günstige Kleider und Lebensmittel, das sprach sich schnell herum, gab es beim Roten Kreuz. Wie so viele besorgte auch Olga Cherkez für sich und ihre Familie einen Berechtigungsschein, um dort einkaufen zu können. Dabei lernte sie Manuela Schönig, die Leiterin des DRK-Tafelladens, kennen. Die Ukrainerin sah die vielen Landsleute, die vor dem Kleiderladen und dem Tafelladen Schlange standen, und die Ehrenamtlichen, die ihr Bestes gaben, um die Hilfesuchenden zu versorgen. Auch sie wollte helfen, nicht nur den eigenen Leuten, sondern auch den Geflüchteten aus anderen Ländern, erzählt sie. So begann sie am 21. März 2022 stundenweise ehrenamtlich im Kleiderladen mitzuarbeiten. Weil auch dort Hilfe gebraucht wurde, wechselte sie im Mai 2022 in den Tafelladen. Das war nicht nur eine große Hilfe für die Einrichtung. „Das brachte mich auch auf andere Gedanken. Ich musste nicht mehr ständig daran denken, wie es in meinem Land weitergeht.“
Ihre Eltern und die Schwester, alle hochqualifizierte Ärzte, kehrten bereits im Herbst 2022 in die Ukraine zurück. Teils, weil es für sie ein weiter Weg gewesen wäre, in Deutschland in ihrem Beruf arbeiten zu können, teils aus dem Wunsch heraus, wieder in der Heimat und bei den Freunden zu sein. Für Olga kommt das nicht in Frage. „Ich bin nicht so eine Kämpferin. Ich könnte mit der dauernden Angst, dem ständigen Alarm und den Einschlägen nicht leben. Es kann jede Sekunde alles passieren, eine Rakete könnte dein Leben beenden“, begründet sie ihre Entscheidung. Ihr Mann hat eine unbefristete Arbeit im IT-Bereich gefunden. Sie selbst hat an der DHBW Mosbach ein zweites Studium im Fach „Internationaler technischer Handel“ aufgenommen, die Tochter wird in Diedesheim in die Schule gehen. Natürlich hofft auch sie, dass es bald Frieden für ihre Heimat gibt. Und sie möchte dem Land, das sie aufgenommen hat und den vielen Menschen, die geholfen haben, gern etwas zurückgeben. Deshalb trifft man sie auch weiterhin regelmäßig im Tafelladen an.
Olga kennt auch viele der Landsleute, die mit Bussen aus den umkämpften Gebieten in den Odenwald flohen. So erreichten in der Nacht zum 8. März 2022 die ersten Busse den Raum Mosbach und wurden vom Roten Kreuz zunächst in einer provisorisch hergerichteten Sporthalle untergebracht. Die Ankömmlinge mussten verpflegt und – man hat es fast schon vergessen – auf Corona getestet werden. Viele waren krank, geschwächt und verzweifelt. „Wir haben den ganzen Tag telefoniert. Wir brauchten Wohnungen, Wohnungen, Wohnungen, das werde ich nie vergessen“, erinnert sich eine DRK-Mitarbeiterin. „Manche hatten nichts dabei außer einer Plastiktüte mit ein paar persönlichen Dingen, das war schon krass. Da kommen mir heute noch die Tränen“, bestätigt Manuela Schönig.