Hilfesuchende sind in Stress-Situationen auch mal angespannt
"Respekt" war das Tagesthema der Rhein-Neckar-Zeitung am 13. Oktober 2023
Dazu wurden dem DRK-Kreisverband Mosbach Fragen gestellt, die der Stellvertretende Rettungsdienstleiter, Jonas Barginde, wie folgt beantwortete:
Respekt wäre ja eigentlich das Mindeste, was man Einsatzkräften wie denen des DRK entgegenbringen sollte. Leider ist diese Annahme in der Realität offenbar nicht durchgängig haltbar - im Gegenteil: Die Angriffe auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Rettungsdiensten haben zuletzt stetig zugenommen. Wie sind die Erfahrungen beim DRK Mosbach? Ist auch bei uns auf dem Land, wo die Welt doch an sich noch weitgehend in Ordnung sein sollte, ein abnehmender Respekt bzw. ein zunehmende Aggression gegenüber Rettungskräften zu verzeichnen?
Stellvertretende Rettungsdienstleiter, Jonas Barginde: Grundsätzlich haben das Rote Kreuz und der Rettungsdienst eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Trotzdem kommt es gelegentlich zu verbalen Auseinandersetzungen. Zum Beispiel, wenn ein Rettungswagen während eines Einsatzes kurzfristig eine Behinderung des Straßenverkehrs bilden. In der Integrierten Leitstelle erleben wir auch manchmal aufgeregte Anrufer. Da heißt es dann: „Stellt nicht so viele Fragen, schickt endlich eine Krankenwagen.“ Aber natürlich muss der Disponent die Fragen stellen, um einschätzen zu können, welches Rettungsmittel, also welches Fahrzeug und welcher Helfer losgeschickt werden müssen. Ein Notfall wird eben auch von jedem anders definiert. Die verbalen Vorfälle betreffen oft die weiblichen Mitarbeiter. Es kommt vor, dass Anrufer für einen Krankentransport „zwei starke Männer“ bestellen. Das geht so weit, dass mancher sagt, mit Frauen spreche er grundsätzlich nicht.
Lässt sich die Zahl der „Übergriffe“ bzw. deren Entwicklung in der jüngeren Vergangenheit quantifizieren?
Barginde: Solche schwierigen Situationen sind nicht an der Tagesordnung, aber zwei bis drei verbale Auseinandersetzungen dieser Art pro Woche gibt es schon.
Wie geht man denn mit derlei unschönen und belastenden Ereignissen um? Werden MA mittlerweile besonders auf Situationen, in denen Menschen, denen man eigentlich helfen will, ablehnend und aggressiv reagieren, vorbereitet oder dafür geschult?
Barginde: Wir sprechen immer im Team über kritische Situationen. Solche Vorkommnisse sind auch Thema in unseren jährlichen Fortbildungen. Da werden Resilienz und der Umgang mit Hilfesuchenden besprochen. Außerdem stehen wir in enger Kooperation mit der Psychosozialen Notfallversorgung im Landkreis (PSNV), die ebenfalls Trainings anbietet.
Gibt bzw gab es denn auch schon Mitarbeiter, die aufgrund von solchen Vorfällen ihr Engagement nicht mehr weiter führen wollten?
Barginde: Ein Jobwechsel aufgrund eines solchen Vorfalls ist mir nicht bekannt. Es geht ja auch jeder anders mit solchen Situationen um. Zudem gibt es Tage, an denen einen solche verbalen Angriffe mehr belasten als an anderen. Notfallsanitäter wissen im Allgemeinen, worauf sie sich bei der Berufswahl einlassen. Wir wissen, dass wir in einem sensiblen Bereich arbeiten. Es gehört auch zur Grundstruktur des Roten Kreuzes, das wir kundenorientiert sind und Menschen helfen wollen.
Haben Sie eine Erklärung für diese Entwicklungen?
Die Welt hat sich verändert. Es ist ständig von Krisen die Rede und man erfährt täglich vom Leid aus aller Welt. Das belastet die Menschen. Zudem gibt es immer mehr Hilfsbedürftige, während gleichzeitig der Gemeinschaftssinn abzunehmen scheint. Dazu kommt gerade auf dem Land, dass die medizinische Versorgung schwieriger wird. Es fehlen Hausärzte, und wenn ein Notfall auftritt und die Menschen die 116117 wählen sollen, stehen nicht nur die weniger Technikaffinen vor einem Problem. Wer in der Warteschleife hängt und gleichzeitig aufgrund einer Notsituation stark angespannt ist, kann schon mal die Nerven verlieren. Oder Menschen, die keinen Arzttermin bekommen, sitzen Krankheiten aus, bis ein Notfall daraus wird. Dann ist wieder der Rettungsdienst dran.
Und haben Sie vielleicht auch eine Idee, wie man der gesellschaftlichen Entwicklung entgegenwirken kann?
Kurzfristig denke ich können wir nur bedingt etwas an der Situation verändern. Wir als DRK-Kreisverband Mosbach und Rettungsdienst Neckar-Odenwald versuchen, stets positiv an die Situationen heranzugehen, defensiv zu agieren und bei brenzligen Situationen zu schlichten. Langfristig bleibt mir nur der Wunsch übrig, dass wir alle miteinander mehr Toleranz bieten, offen sind und vor allem wieder zu einer Wir-Gesellschaft zusammenwachsen.
nachzulesen ist das Interview unter :
https://www.rnz.de/region/neckartal-odenwald_artikel,-DRK-Mosbach-Verbale-Vorfaelle-betreffen-oft-weibliche-Rettungskraefte-_arid,1207319.html