Zum Internationalen Tag des Ehrenamtes am heutigen 5. Dezember 2023
Bettina Hamberger über geänderte Rahmenbedingungen, Zeitgrenzen und die Rolle der Couch
Ohne Ehrenamt geht nichts. In der Kommunalpolitik ebenso wenig wie im Sportverein oder in Hilfsorganisationen. Aber hat das Engagement „für Gotteslohn“ noch eine Zukunft? Fragen, die Bettina Hamberger aus Anlass des Tages des Ehrenamtes beantwortet. Sie ist Fachfrau in mehrerer Hinsicht: Die Neuenstadterin ist beim Roten Kreuz Neudenau aktiv, sie ist Mitglied des rein ehrenamtlich tätigen Präsidiums des DRK-Kreisverbands Mosbach und seit vielen Jahren im DRK-Landesverband Baden-Württemberg Referentin für die Ehrenamtsförderung und Freiwilligenarbeit. Sie berät und unterstützt ehrenamtliche Helfer und hat diverse Projekte innerhalb des Verbands durchgeführt, die die Förderung des Ehrenamts zum Thema hatten.
Frau Hamberger, gibt es heute weniger ehrenamtliches Engagement als noch vor 20 Jahren?
Bettina Hamberger: Es gibt nicht weniger Engagement, aber die Menschen sind anders. Wir haben nicht mehr den Allrounder, der einfach helfen will, den man rufen kann und der dann alles macht, was man ihm sagt und der an allem Spaß hat. Heute kommen Spezialisten, Menschen mit bestimmter Expertise, die sagen, wo sie helfen möchten - und wozu sie nicht bereit sind. Für konkret benannte Projekte und vorher festgelegte, überschaubare Einsatzstunden kann man eher Helfer gewinnen als für regelmäßige wöchentliche Termine. Diesen Trend spürten wir schon vor Corona.
Welche Folgen hatte die Pandemie für das Ehrenamt?
Bettina Hamberger: Corona hat uns regelrecht herauskatapultiert aus der sozialen Arbeit. Vor allem im Bereich der Jugendarbeit, das gilt für Vereine ebenso wie für das Jugendrotkreuz beim DRK. Nichts war mehr möglich. Und in der Wohlfahrts- und Sozialarbeit sind gerade unsere älteren Helfer betroffen gewesen – sie waren genau die vulnerablen Gruppen, denen man sagte, sie sollten besser zu Hause bleiben, um sich zu schützen. Dazu kommt, dass viele Menschen in dieser Phase die Couch und das Fahrrad für sich entdeckten und heute nicht mehr in dem Maße wie vorher zur Verfügung stehen. Speziell in der Jugendarbeit wurde aber auch viel Kreativität entwickelt, und das hat für einen kleinen Aufwind gesorgt. Insgesamt sind viele Menschen aus dem Ehrenamt herausgefallen, aber es sind auch neue dazugekommen, die wir jetzt halten müssen.
Würde mehr staatliche Anerkennung oder eine Art Bezahlung dem Ehrenamt helfen?
Bettina Hamberger: Zu mehr Anerkennung sage ich ganz schnell „ja“. Ich würde mich aber gegen eine Anerkennung in monetärer Form wehren. Für mich ist Ehrenamt ein Dienst an der Gemeinschaft, den ich aus eigenem Antrieb leiste und der viel zurückgibt. Also: Fahrtkostenersatz und Gotteslohn sollten reichen. Dennoch fände ich es gut, wenn die Politik sich da nicht völlig herausnehmen würde. Zum Beispiel gibt es in anderen Bundesländern eine Ehrenamtskarte, mit der ehrenamtlich Tätige unkompliziert den öffentlichen Nahverkehr kostenlos nutzen können. Das ist schön für die Helfer, und es nutzt auch den Vereinen und Organisationen, die Ehrenamtliche einsetzen. Denn sie müssen dann keinen Fahrtkostenersatz zahlen. In Baden-Württemberg hat man jetzt in vier Modellregionen einen Versuch mit einer Ehrenamtskarte gestartet. Allerdings sind die Benefits sehr klein und es ist sehr viel Bürokratie nötig.
Sind es eigentlich hauptsächlich Ältere, die sich ehrenamtlich engagieren?
Bettina Hamberger: Die ältere Generation hat tatsächlich einfach mehr Zeit. Aber auch viele junge Leute wollen sich engagieren. Ich sehe das beim DRK in den Bereitschaften. Die jüngere Generation zu halten, das gelingt meist dort, wo auch schon gute Jugendarbeit geleistet wird und wo man mit der Zeit geht.
Wie kommt man an junge Leute heran?
Bettina Hamberger: Man muss die jungen Leute da abholen, wo sie sind. Da bieten die sozialen Medien viele Möglichkeiten. Vor allem muss man aber auch die Zeitgrenzen ernst nehmen, die junge Menschen setzen. Wenn sie sagen, sie haben nur bis 22 Uhr Zeit, dann muss man das so akzeptieren. Früher blieb man nach der Gruppenstunde noch zusammen sitzen. Heute haben die jungen Leute danach etwas anderes vor und gehen dann auch. Da hat sich etwas verändert, das muss man hinnehmen und darf nicht enttäuscht sein. Man muss sich auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen, dann kann der Generationswechsel funktionieren.
Wie sieht im DRK Ihre Arbeit für das Ehrenamt aus, was macht die Servicestelle Ehrenamt – kurz gesagt?
Bettina Hamberger: In meiner Arbeit im DRK für das Ehrenamt schaue ich, was engagierte Menschen brauchen, um ihre Aufgaben gut und motiviert erledigen zu können. Ich überlege immer wieder neue Ideen, beteilige die Ehrenamtlichen daran und entwickle daraus Konzeptionen, in denen unterstützende Rahmenbedingungen festgehalten sind. Die Unterstützung von Leitungskräften ist mir dabei genauso wichtig, wie hilfreiche Tools und Möglichkeiten der Nicht-Leitungskräfte und die gute Zusammenarbeit zwischen Haupt- und Ehrenamt.
Wie sieht ihr eigenes Engagement aus - und was bedeutet es Ihnen?
Bettina Hamberger: Nach vielen Funktionen auf allen Ebenen erstreckt sich mein Ehrenamt aktuell auf die Unterstützung meines Heimat-Ortsvereins Neudenau und auf die Präsidiumsarbeit im DRK-Kreisverband Mosbach. Außerdem bin ich sehr viel in der Bildungsarbeit im Roten Kreuz unterwegs, sowohl im Jugendrotkreuz als auch in der Erwachsenenarbeit.
Für mich sehr berührend in meinem Ehrenamt ist es, wenn ich ein Leuchten in den Augen der anderen sehe. Eine kleine Begebenheit aus meinem Engagement im Jugendrotkreuz: ich habe sehr viele Zeltlager für Kinder aus dem JRK und auch außerhalb des JRK organisiert. Wenn ich dann zu den Kids bei den Mahlzeiten gesagt habe: „Macht den Teller nicht zu voll, so dass ihr ihn auch leer essen könnt. Aber keine Sorge, ihr könnt so oft nachholen, bis ihr satt seid.“ Da sagte ein kleiner Junge total irritiert: „Wirklich, so lange, bis ich satt bin?“
Das ist heute noch genau der Grund: Ich verstehe mich als Anwältin/Lobby für diejenigen, die nicht für sich selbst einfordern können, was sie brauchen. Wenn ich das leisten kann, bin ich mit meinem Ehrenamt zufrieden.