Zum Tag der Vermissten am 30. August
DRK-Suchdienst sorgt für späte Gewissheit und hilft bei neuen Krisen
78 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs werden noch immer über eine Million Menschen, Soldaten wie Zivilisten, vermisst. Aber auch die vielen späteren bewaffneten Auseinandersetzungen, diktatorische Regime, Naturkatastrophen und nicht zuletzt die Flüchtlingsbewegungen führen dazu, dass Familien auseinandergerissen werden und Menschen verschwinden. Daran erinnert der Tag der Vermissten am 30. August. Er wurde im Jahr 1982 von einer lateinamerikanischen Organisation ins Leben gerufen.
Vermisste zu suchen, ist seit über 150 Jahren eine Kernaufgabe der Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung. Hintergrund dieses Suchdiensts ist das Menschenrecht auf Einheit der Familie sowie der Respekt vor der Würde des Menschen. Tausende Suchanfragen erreichen das Deutsche Rote Kreuz jährlich. Von 90 hauptamtlichen Suchdienstberatungsstellen bundesweit sowie landesweit von acht Beratungsstellen und 26 weiteren Beauftragten für Basisaufgaben werden Fragen geklärt. Hinterbliebene erhalten Gewissheit über das Schicksal Verstorbener, Familien finden wieder zusammen, Nachrichten können über weite Strecken ausgetauscht werden.
Auch der DRK-Kreisverband Mosbach erfüllt Suchdienst-Basisaufgaben. Seit 33 Jahren ist Angelika Schork dafür die Ansprechpartnerin. Gerade in ihrer Anfangszeit beim Roten Kreuz in den 1990er Jahren gab es in diesem Bereich richtig viel zu tun, berichtet sie: Nach der Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ suchten viele Personen wieder verstärkt nach ihren Verwandten.
Damals wie heute muss der Suchende dafür einen sogenannten Nachforschungslaufbogen ausfüllen. Bei Spätaussiedlern werden unter anderem die eigenen Familiendaten sowie die Daten der gesuchten Person mit Zeitpunkt der Ausreise und des letzten Kontakts abgefragt. Bei ehemaligen Soldaten muss neben der Heimatanschrift und den Geburtsdaten die letzte bekannte Anschrift und nach Möglichkeit Dienstgrad und Feldpostnummer aufgelistet werden.
Heute können solche Suchanträge über die Internetseiten des DRK (www.drk-suchdienst.de) digital gestartet werden. Angelika Schork kennt aber auch noch die Arbeit mit Papier und Fotos. Noch früher, in den späten fünfziger und sechziger Jahren, nutzte man die sogenannten Vermisstenbildlisten, um die Schicksale Verschollener des Zweiten Weltkriegs zu klären. Sie wurden ab 1956 vom Deutschen Roten Kreuz erstellt und umfassen 225 Bände mit 1,4 Millionen vermissten Soldaten und Zivilpersonen, über 900.000 davon mit Bild. Mit knappen Daten steht dort der 40-jährige Reichsbahnschaffner aus Heilbronn ebenso wie der 20-jährige Zimmermann aus Östringen oder der Abiturient aus Heilbronn.
Über 100 solcher Vermisstenbildlisten lagern beim DRK Mosbach im Archiv und bilden ein berührendes Zeitdokument. Auch diese Bildlisten sind heute online zugänglich (weitere Informationen: https://www.drk-suchdienst.de/wie-wir-helfen/suchen/zweiter-weltkrieg/vermisstenbildlisten-online/).
Schien Ende der 1980er Jahre das Kapitel abgeschlossen, so brachte die Öffnung des „Eisernen Vorhangs“ ab den 1990er Jahren neue Dynamik in die Suche nach Vermissten des Zweiten Weltkriegs. Das nutzte auch Guido Wenzel, Geschäftsführer beim Kreisverband Mosbach: Für ihn war die Geburt seines Sohnes im Jahr 2003 der Anlass für den Einstieg in die Ahnenforschung. „Er sollte wissen, wer seine Vorfahren waren“. So stieß Wenzel auf einen Großonkel, von dem man nur wusste, dass er im Krieg gefallen war. Die Großmutter hatte zwar gleich nach dem Krieg über das Rote Kreuz nachgeforscht, aber ohne Ergebnis.
Doch nach 1989 wurden viele Archive im Osten wieder zugänglich, und so war ein erneuter Suchantrag beim Roten Kreuz nach wenigen Wochen erfolgreich. Die Familie weiß nun, dass der Großonkel am 26. April 1944 mit nur 31 Jahren in Cioburciu in Moldawien gefallen ist und in einem Massengrab im großen Soldatenfriedhof in der moldawischen Hauptstadt Chişinau beigesetzt ist. Sein Name und die persönlichen Daten sind dort im Gedenkbuch verzeichnet. Diese Informationen konnte Wenzel mit den Suchergebnissen des Roten Kreuzes beim Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge e.V. ausfindig machen.
Familienzusammenführungen und der internationale Austausch von Familiennachrichten gehören ebenfalls zu den Aufgaben des DRK-Suchdienstes. Hier hat Angelika Schork zuletzt den Kontakt zwischen einem Mann aus Senegal und seiner Tochter hergestellt, die in Mosbach lebt. Die Anfrage kam als RCM - Red Cross Message – aus Guinea Bissau über das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und den Suchdienst des Generalsekretariats am Standort München. Die Botschaft des Vaters an die Tochter kam an, und sie antwortete ihm freudig. Wie sich der Kontakt weiterentwickelte, weiß Angelika Schork nicht – die Aufgabe des DRK ist mit der Übermittlung der ersten Botschaften beendet.